Digitale Vermögensdelikte, also Betrugsmaschen, gefälschte Inserate, Scams und Co., haben in den letzten Jahren immer mehr zugenommen. Gerade in der Weihnachtszeit, wenn man in letzter Minute noch ein Geschenk für seine Liebsten sucht, fällt man vielleicht auf das vermeintliche Schnäppchen herein. Oder wenn man sich gerade jetzt besonders nach einem Menschen an seiner Seite sehnt, ist man besonders vulnerabel für den Love-Scam.
Gemäss der Kriminalstatistik des Bundes nehmen Online-Straftaten in der Schweiz deutlich zu. Im Jahr 2024 wurden über 59 000 Delikte gemeldet, mehr als doppelt so viele wie 2020. Die grosse Mehrheit davon betrifft Betrug im Internet. Besonders stark gewachsen sind Phishing-Angriffe sowie der Missbrauch von Online-Bezahlmöglichkeiten und Identitätsbetrug. Ein Grund für diesen Anstieg ist, dass solche Fälle seit September 2023 genauer erfasst werden. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Straftaten hoch ist.
Betrugsmaschen werden immer ausgeklügelter, auch aufgrund neuer technologischer Möglichkeiten. So kann eine KI inzwischen mit erschreckend wenig Datenpunkten die Stimme der eigenen Tochter imitieren. Diese Fake-Stimme wird dann genutzt um einen Notfall vorzugaukeln in dem die „Tochter“ dringend Geld braucht. KI kann mittlerweile aber auch Deepfakes erstellen, also täuschend echte Videos einer Person, die es so nie gegeben hat. Und so macht Karin Keller-Sutter dann plötzlich Werbung für ein Anlageforum. Andere nutzen die Wohnungsnot aus und schalten gefälschte Wohnungsinserate. Wieder andere erstellen gefälschte Profile auf Dating-Apps und gaukeln monatelang eine romantische Beziehung vor, um das Vertrauen ihrer Opfer zu gewinnen.
Mittlerweile ist bekannt, dass es sich dabei nicht nur um Einzeltäter:innen handelt, sondern Kriminalität. Hinter vielen aktuellen Online-Betrugsfällen stehen heute organisierte internationale Netzwerke. Die Täter:innen arbeiten arbeitsteilig über verschiedene Länder hinweg, mit professionellen Callcentern, technischen Tools und gefälschten Identitäten. So kann man auf Telegram nicht nur ein komplettes Bildset einer Person kaufen, um deren Identität zu missbrauchen, man kann auch Adressen in Paris und anderen Metropolen angeben, an die Love-Scammers ihre Geschenke hinschicken lassen, um das Bild der vermeindlichen französischen Künstlerin aufrecht zu erhalten.
Dabei sind nicht alle Beteiligten freiwillig Teil dieser Strukturen: Immer häufiger werden Menschen selbst ausgebeutet oder unter Druck gesetzt, um für diese kriminellen Gruppen Betrug zu begehen. Damit wird digitale Kriminalität auch zu einem Problem von Menschenhandel und Zwangsarbeit.
Es gibt immer mehr Betrugsdelikte, die nicht nur durch eine technische Täuschung, also zum Beispiel ein Phishing E-Mail funktionieren. Was aber alle die genannten Beispiele oben gemeinsam haben ist, das sie auch die Gefühle der Opfer manipulieren. Denn Betrug im Netz funktioniert in der Regel nicht nur über technische Tricks. Fast immer spielt ein menschlicher Faktor mit: die Hoffnung auf die grosse Liebe, die lang vermisste Enkelin oder die Angst, dass etwas unberechtigterweise vom Konto abgebucht wurde.
Das zeigt: Bei der Prävention von digitalen Vermögensdelikten geht es nicht nur um technische Kompetenzen, sondern auch um emotionale Resilienz in Stresssituationen.
Es gibt bislang nur wenige Angebote, die die Gefahr solcher Betrugsmaschen ganzheitlich betrachten. In unseren Workshops werden deswegen nicht nur technische Kniffe, sondern auch emotionale Druckmittel an echten Fallbeispielen besprochen. In den Übungen lernen die Teilnehmenden, Warnsignale früh zu erkennen und in Momenten der Verunsicherung innezuhalten, bevor sie handeln. Durch Rollenspiele und geführte Reflexionen stärken sie ihre Fähigkeit, in stressigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren und manipulative Botschaften klarer einzuordnen.
Dank der «Rein ins Netz»-Förderung des Migros Kulturprozent können wir dieses Format weiterentwickeln und suchen nun Umsetzungspartnerschaften, die direkt mit der Zielgruppe arbeiten. Wir suchen Organisationen, die mit armutsbetroffenen oder armutsgefährdeten Menschen arbeiten und gemeinsam mit uns einen solchen Workshop anbieten möchten – melden Sie sich gern bei jeannie.schneider@dezentrum.ch für eine Zusammenarbeit.