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Die «Community» von Meta ist nicht deine

Jeannie Schneider
28.01.2025

Die neuesten Entwicklungen in der Tech-Welt machen mir das Leben bis zu einem gewissen Grad leichter. Denn ein für alle mal, wird klar, dass Plattformen wie X, Instagram und sogar Spotify keine Orte für offenen Austausch und Community sind, sondern Räume, die nach politischen Werten strukturiert werden und klare finanzielle, aber auch normative Ziele verfolgen.

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Was haben die CEOs von Amazon, Meta, Alphabet, OpenAI, Apple, Microsoft und Spotify gemeinsam? Sie alle haben versprochen, mindestens eine Million Dollar an die Kampagne von Donald Trump zu spenden. Eine politische Spende ist sicher bis zu einem gewissen Grad strategisch, drückt aber auch explizit Unterstützung für eine politische Linie aus. Vorbei sind die Zeiten des liberal-leaning Silicon Valley.

Einen Aufschrei entfachte auch das Einstellen des Fact-Checking von Meta. Weniger bekannt, aber ebenso besorgniserregend, sind die Entwicklungen rund um die Online-Enzyklopädie Wikipedia, der vorgeworfen wird, in bestimmten Artikeln zu Palästina-freundlich zu zu sein. Deswegen versucht nun die US-amerikanische Heritage Foundation die Identität von anonymen Autor:innen herauszufinden und zur Rechenschaft zu ziehen.

Ursprünglich wurden diese Plattformen mit sinnvollen oder zumindest unschuldigen Zielen ins Leben gerufen, wie z. B. den Austausch zwischen Menschen zu fördern, oder Kreativität auszudrücken.

Allerdings waren diese Angebote oft nicht oder kaum gewinnbringend. Die Möglichkeit, Daten zu kapitalisieren, hat die grundsätzliche Dynamik von den Plattformen geändert. Dabei wurden die User:innen selbst zum Produkt: Ihre Daten, ihr Verhalten und ihre intimsten Interaktionen werden analysiert und monetarisiert, um den Gewinn zu maximieren. Auf der anderen Seite wurde das gegen aussen getragene Image nach wie vor von Begriffen wie «connection», «self-expression», ja sogar «Demokratie» geprägt.

Dass hinter diesen Worten aber alles andere als die ursprüngliche Bedeutung steckt, versuche ich jetzt mal mit dem Wort «Community» nachzuzeichnen, in dem ich aufzeige, wie es auf Instagram, einer Plattform von Meta, benutzt wird.

«Instagram fosters a safe and supportive community»

Wenn ich «Instagram Community» suche, beschreibt sich Instagram selber als sichere und unterstützende Gemeinschaft, die sich mit Sicherheitsmassnahmen gegen Online-Mobbing einsetzt. Nun ja, seit dem Aufheben des Fact-Checking gehört das der Vergangenheit an, offensichtlich wurden die SEO-Texte sind noch nicht angepasst.

Wenn ich die weiteren Suchergebnisse anschaue steht da: «Instagram ist eine Gemeinschaft, die diverse Altersgruppen, Kulturen und Werte vereint. Wir möchten einen offenen Raum für alle herstellen.» Dieser Beschrieb zeigt, dass die Widersprüche der Benutzung und der Bedeutung von Community viel grundsätzlicher sind.


Das wird klar, wenn wir uns die eigentliche Bedeutung des Begriffs vor Augen führen: Eine Community, also eine Gemeinschaft, ist eine soziale Einheit, die eigentlich ein sozial bedeutendes Merkmal teilt. Also zum Beispiel Kultur, Religion, Bräuche, Identität, Werte oder Normen. Diese Ähnlichkeit, die auch rein geografisch entstehen kann, führt dann zu einer Art Zugehörigkeitsgefühl. Gemeinschaften sind ein wichtiger Ursprung von sozialen Beziehungen ausserhalb der Familie und damit essentiell für Menschen.

Es wird schnell klar, dass die Eigenschaften von unterschiedlichen Gemeinschaften zum Teil grundsätzlich inkompatibel sein können, auch wenn sie noch weit innerhalb eines demokratischen Konsens zu liegen kommen: Barbecue-Liebhaber:innen und Veganer:innen zum Beispiel.

Bei den Community-Guidelines von Instagram wird klar, dass es nicht möglich ist, einen Ort für alle gleichermassen zu designen. Bei der Frage, was zulässig ist, richtet sich die Plattform nach gewissen Werten aus. Weibliche Nacktheit, der berühmte Nippel, ist verboten. Allerdings nur bei «echten» Frauen, als Kunstwerk ist es in Ordnung. Worte wie «Sex» müssen durch Emojis ausdrückt werden. Das führt dazu, dass der sexpositive Sexshop «untamed.love» immer wieder gegen die Community Guidelines verstösst, obwohl Information über inklusive Sextoys für die Community hinter «untamed.love» eigentlich wichtig wäre. Die puritanistische Sexualmoral zeigt sich noch deutlicher daran, dass Meta letzte Woche Inhalte über Abtreibungspillen verborgen hat.


Was für die eine Community völlig unkontroverse, sogar wichtige Inhalte sind, stellt für die anderen ein Sakrileg dar, eine Unmöglichkeit. Das Problem ist, dass durch die klare Festsetzung von solchen Guidelines einer Community das Gefühl gegeben wird, normal zu sein, während andere marginalisiert werden.

Diese Art der Priorisierung findet man aber nicht nur, wenn es um die Sexualmoral geht, sondern auch im Verbergen von anderen politischen Inhalten. Inzwischen ist es völlig akzeptiert, dass man ein Hintertürchen brauchen muss, um über aktuelle Kriege zu sprechen. Damit eine Story performt, braucht es mindestens ein Selfie, oder noch besser, man kreiert ein Schminkvideo und spricht dann den politischen Inhalt darüber.

Auf der anderen Seite ist keine Content Moderation eben auch eine Art Content Moderation, da sie bewusst entscheidet, Inhalte uneingeschränkt zuzulassen und so bestimmte Dynamiken wie Desinformation, Hassrede oder Trolling begünstigt. Diese passive Haltung setzt normative Rahmenbedingungen, indem sie implizit signalisiert, dass alle Inhalte gleichermassen akzeptabel sind, was die Kultur der Plattform und Interaktionen der Nutzer:innen stark beeinflusst.

Es ist also nicht für alle Communitys gleichermassen möglich, sich auf Plattformen auszudrücken.

Das wird auch klar, wenn ich Tutorials anschaue, bei denen es um «community building» geht. Alle Tipps sind eigentlich darauf ausgerichtet, dass ich einen Kund:innenstamm aufbaue. Mein Verständnis von «build a community» ist, etwas für eine Gemeinschaft zu tun. Der Mehrwert für die Gemeinschaft auf Instagram sind im besten Fall DIY-Tipps oder Unterhaltung, doch der eigentliche Gewinn fliesst von den Zuschauer:innen hin zum content creator, der oder die mit den Inhalten Geld verdient. Community als Business-Modell. Die Gemeinschaft hilft im Endeffekt wieder dem Individuum, sich selbst zu kapitalisieren. Das steht ebenfalls arg im Widerspruch mit der eigentlichen Bedeutung des Wortes Gemeinschaft.

Natürlich dürfen private Firmen ihre eigenen Werte haben, sie sind ja grundsätzlich keiner demokratischen Rechenschaft schuldig. Das Problem ist die gigantische Divergenz zwischen der PR, die eine diverse Community verspricht, und der Realität. Plattformen haben nicht nur wertende Algorithmen, ihre Marktmacht ist unterdessen auch dermassen hoch, dass sie nachweisbar einen Einfluss auf die öffentliche Meinung haben, wie zuletzt die Eidgenössische Medienkommission in einem Bericht feststellte.

In den letzten Tagen gab es eine weitere Welle von Abgängen aus den Sozialen Medien, gestern hat mich die Freundin, mit der ich mein Spotify-Family-Abo teile, gefragt, ob wir nicht auf TIDAL wechseln wollen.

Für mich bleibt die Frage, wie wir uns digitale Technologien wieder aneignen können, sodass wir Räume bauen können, die den Werten unserer jeweiligen Communities entsprechen.


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