Wie wir heute unsere Meinungen bilden, unterliegt dem Einfluss analoger, aber auch digitaler Quellen. Während wir den Umgang mit ersteren meist aufgrund von Bildung und Intuition beherrschen, sind die nötigen Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Informationen oft unzureichend entwickelt. Das Digital-Literacy-Projekt vermittelt Kompetenzen auf eine spielerische und immersive Art – für eine sicherere Meinungsbildung im digitalen Raum.
Digital Literacy bezieht sich auf die Fähigkeit, Technologie sicher, effektiv und verantwortungsbewusst zu nutzen 1. Es umfasst sowohl technische als auch nicht-technische Fähigkeiten, wie z.B. zu beurteilen, ob eine bestimmte Website oder Informationen vertrauenswürdig sind. Kurzum Digital Literacy ist die Fähigkeit der reflektierten Meinungsbildung im digitalen Raum.
Hierbei handelt es sich um eine äusserst wichtige Kompetenz in Anbetracht der Tatsache, dass wir heutzutage mindestens genauso häufig online wie offline sind. Es wäre wohl noch nicht einmal falsch zu behaupten, dass wir heute nur während dem Schlafen wirklich offline sind. Und zunehmend beeinflussen auch Online-Phänomene wie Desinformation, unangemessene und provozierende Kommentare (Trolling) und automatisierte Kommentar-Programme (Bots) unser Meinungsbild.
Wie können wir resilienter werden gegenüber Desinformation, Bots und Trolls?
Als Erstes ist es wichtig, die Auswirkungen der digitalen Transformation und ihrer Phänomene besser zu verstehen. Für das Dezentrum bedeutet dies, eine direkte Interaktion mit den Phänomenen zu ermöglichen. Dafür ist ein sichererer Raum notwendig. Unsere Lösung: Bots, Desinformation und Co. anhand einer Social-Media-Simulation aufzuzeigen.
Bereits im Herbst 2020 wurde der erste Prototyp einer Simulation zusammen mit der Stiftung Risiko Dialog und mit dem Digital Skills Team des Kantons Zürich entwickelt. Erste erfolgreiche Durchführungen, die eine Diskussion rund um die Abstimmungsvorlage des E-ID-Gesetzes umfassten, fanden rasch positiven Anklang. Anschliessend an die Simulation werden Handlungsmöglichkeiten angezeigt, um Phänomene wie Desinformation im Alltag zu erkennen und Strategien vermittelt, um damit umzugehen.
Beispielphänomen Desinformation: Umgangssprachlich wird Desinformation auch gerne mit Fake News betitelt – ein Begriff, den wir aufgrund seiner politischen Dimension vermeiden. Desinformationen sind, anders als Misinformationen, gezielt verbreitete Falschinformationen. Das Ziel ist es, die Gesellschaft, einzelne Gruppen oder Einzelpersonen im Sinne politischer oder wirtschaftlicher Interessen zu täuschen. Oft treten sie innerhalb der sozialen Netzwerke als validierte Meldungen auf. Sie erreichen viele Personen und verbreiten sich äusserst schnell. Dass sie darüber hinaus in vielen unterschiedlichen und unauffälligen Formen auftreten können, macht sie zu einem beliebten Tool von antidemokratischen Initiativen.3
Nach der Erstfinanzierung des Prototyps durch den Kanton Zürich folgte die Unterstützung von E-Government Schweiz, mit deren Hilfe das Projekt technisch und inhaltlich weiterentwickelt wurde.
Wir merkten bald, dass die Simulation auch anderen Zielgruppen eine grosse Chance bietet, Wissen spielerisch und zugänglich zu vermitteln. Dies sah die Gebert Rüf Stiftung auch so und unterstützte das Projekt im Rahmen der Digital Education Pioneers. Gemeinsam mit Lehrkräften wurde die Simulation speziell für Jugendliche in Schulklassen angepasst und landesweit durchgeführt.
Interessiert am Bereich Inspiration & Sensibilisierung?
In einer Folgeförderung konzentrierten wir uns darauf, mehr Lehrpersonen zu erreichen und via Teach the Teacher unabhängig vom Projektteam zu machen. Insbesondere wurde ein Fokus auf die nachhaltige Wissensvermittlung gesetzt: durch eine erweiterte Anpassungskapazität der Simulation, Vernetzung der Lehrenden und kostenlosen Zugang zum Lehrmaterial.
Jüngere Altersgruppen zeigen tendenziell höhere Kompetenzwerte auf als ältere 2. Dieser Befund der Politools Studie zu Medienkompetenz in der Schweiz liefert für die Frage der Ausrichtung der Medienbildung wichtige Hinweise, da es im Gegensatz zur landläufigen Meinung nicht primär die jüngsten Gruppen sind, welche die grössten Kompetenzdefizite aufweisen. Das veranlasste uns, wieder in eine andere Zielgruppe vorzustossen. Zusammen mit der Christoph Merian Stiftung wurden Simulationen mit der «Babyboomer»-Generation durchgeführt.
Als letzte Weiterentwicklung wurden die Inhalte und Vermittlung mit dem finanziellen Beistand der Stiftung Mercator für die spezifischen Bedürfnisse von Mitarbeitenden in der Unternehmenswelt angepasst. Positive Rückmeldungen der zahlreichen Durchführungen mit unter anderem Globus, Swica, Die Mobiliar und vielen mehr zeigten auf, dass auch hier Bedarf für diese Art von Lerninhalten besteht.
All diese Bestrebungen der letzten drei Jahre haben zu einem der längsten Projekte der bisherigen Geschichte des Dezentrums geführt.
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Unser Beitrag für eine schweizweite Digitalkompetenz
Mit einer bisher dreijährigen Laufzeit hat das Projekt viele Skalierungen und folglich Erfolgserlebnisse für sich beanspruchen können: Über 70 Durchführungen bei mehr als 40 Organisationen und Schulen in 12 unterschiedlichen Kantonen zeichnen das Bild eines ebenso vielseitigen wie weitreichenden Impacts.
Nach Umfragen an unseren Workshops für Unternehmen gaben fast 95 Prozent der Teilnehmenden an, dass sich die vermittelten Inhalte gefestigt haben, ein gutes Zeichen für die Effektivität der nachhaltigen Wissensvermittlung. Darüber hinaus lobten Teilnehmende die innovative und praxisorientierte Simulation und das gut aufbereitete Material sowie die sympathische Vermittlung desselben.
Das Gebiet der digitalen Kompetenz entwickelt sich stetig weiter. Dies liegt vor allem daran, dass die digitale Integration in unseren Alltag sich ständig weiterentwickelt. Daher ist die Relevanz dieses Themas unbestreitbar. Es bleibt jedoch eine bedeutende Herausforderung, die Kluft zwischen älteren und jüngeren Generationen in Bezug auf die Vermittlung von digitaler Kompetenz zu überbrücken. Wir sehen hier grosses Potenzial für zukünftige Projekte, insbesondere wenn sie in enger Zusammenarbeit mit der Zielgruppe selbst – oder sogar gemeinsam mit ihr – entwickelt werden.
Und wir sind noch nicht am Ende. Gemeinsam mit Stiftung Risiko-Dialog und weiteren Projektpartner:innen entwickeln wir das Projekt im Rahmen des nationalen Aktionsplans zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus (NAP) für den Bereich der Soziokultur weiter. In Zusammenarbeit mit dem Videospiel-Studio 5am Games kreieren wir das Serious Online Game «Radical Choices», das die digitalen Kompetenzen von Jugendlichen stärkt. Ziel ist es, Jugendliche für gängige Online- und Offline-Radikalisierungsmechanismen zu sensibilisieren. Hier gibt's mehr Infos dazu.
[1] Friedrich, Kristin Narr Christian: Medienkompetenz und Digital Literacy, in: bpb.de, 07.01.2022, [online] https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/politische-bildung-in-einer-digitalen-welt/324982/medienkompetenz-und-digital-literacy/.
[2] Ältere Menschen fit machen für die digitale Zukunft: in: BMFSFJ, o. D., [online] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/aeltere-menschen-fit-machen-fuer-die-digitale-zukunft-223802.
[3] Wardle, C. (2018). The need for smarter definitions and practical, timely empirical research on information disorder. Digital Journalism, 6(8), 951–963. https://doi.org/10.1080/21670811.2018.1502047
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