Neue Technologien ermöglichen uns, anders über Eigentum, öffentlichen Raum und kollektive Güter nachzudenken. Mit no1s1 (no one’s one) übergeben wir die Verwaltung eines Hauses an einen Blockchain-basierten Smart Contract. Auf diese Weise kann no1s1 selber über seine Nutzung entscheiden und sich autonom instand halten.
no1s1 ist ein Haus, das sich selber gehört und sich selbst verwaltet. Es ist ein Zukunftsexperiment und erforscht neue Ansätze für den Umgang mit kollektiven Gütern, die durch Technologien wie Blockchain möglich sind.
no1s1 schlägt eine Möglichkeit vor, physische Infrastruktur zu schaffen, welche selbstverwalted, partizipativ und zweckgebunden ist. Der erste funktionierende Prototyp wurde von Hongyang Wang an der ETH Zürich in Form einer Meditationskabine gebaut.
Wie kann ein Raum niemandem gehören und von allen bespielt werden?
Ermöglicht wird die selbstverwaltete Organisation durch eine sogenannte Dezentralisierte Autonome Organisation (DAO), die mit dem Haus verbunden ist. DAOs funktionieren im Gegensatz zu klassischen, hierarchischen Firmen als lose, globale Netzwerke von Menschen und digitalen Systemen, die von der Basis aufgebaut und kontrolliert werden.
Die Blockchain-Technologie stellt dabei die benötigte Dezentralisierung und Transparenz. Smart Contracts, kleine Programme, die auf der Blockchain leben und Handlungsanweisungen ausführen können, bilden das Regelwerk. Nach demokratischen Prinzipien können diese Regeln festgelegt und auch wieder verändert werden.
no1s1 ist das weltweit erste Projekt, das eine DAO mit einem physischen Objekt verbindet.
Es gibt aber bereits zahlreiche Beispiele für DAOs, die teils riesige Vermögenswerte verwalten. In Zukunft könnten solche Organisationen mit herkömmlichen Unternehmen rechtlich gleichgestellt werden.
Diese einflussreiche Bewegung ist noch in den Kinderschuhen, extrem abstrakt und schwierig fassbar.
Ein Haus, das grosse Fragen aufwirft
no1s1 zeigt das Potenzial, aber auch die offenen Fragen dieses alternativen Modelles für Immobilien und Infrastruktur. Viele gewohnte ökonomische und gesellschaftliche Vorstellungen werden dabei hinterfragt:
no1s1 funktioniert selbsterhaltend statt profitorientiert: Allfällige Überschüsse könnten in den Unterhalt der Bauten oder an die Nutzenden zurückfliessen.
Das Projekt wirft aber auch viele Fragen auf: Wer trägt die Verantwortung wenn es zu einem Brand kommt? Wie lässt sich eine DAO so programmieren, dass sie für eine Gruppe von Menschen in einem demokratischen Prozess veränderbar, aber von niemandem manipulierbar ist? Wie kann no1s1 in unser Rechtssystem eingeordnet werden?
no1s1 ist ein Forschungsprojekt mit Zukunft und ein kollaboratives Projekt, an dem über die Jahre viele Personen und Organisationen mitgewirkt haben.
Das ursprüngliche Konzept wurde 2018 von Dezentrum entwickelt. In den folgenden Jahren wurden rechtliche und ethische Fragen rund um die Idee der selbstverwalteten Infrastruktur mit der Öffentlichkeit und Fachleuten zu diskutieren, ermöglicht durch die Stiftung Mercator Schweiz. no1s1 wurde bei der UNO in Genf, beim Schweizerischen Nationalfonds SNF, an verschiedenen Universitäten und an mehreren öffentlichen Veranstaltungen vorgestellt.
Der 2021 von Hongyang Wang an der ETH gebaute Prototype in Form einer Meditationskabine schafft es, die Idee hinter no1s1 fassbar zu machen und anhand eines physischen Objektes die Chancen und Fragen aufzuzeigen. Die solarbetriebene no1s1-Meditationskabine kann gemietet werden. Die Bezahlung erfolgt direkt an no1s1 mittels Kryptowährungen. Ob no1s1 damit sich selber repariert, einen Teppich bestellt oder neuen Raum dazu kauft ist noch offen.
no1s1 ist ein DAO-Forschungsprojekt des UZH Blockchain Center, der ZHAW, der Digitalisierungsinitiative der Zürcher Hochschulen (DIZH) und des Dezentrums. Kürzlich hat Hongyang Wang zusammen mit Jens Hunhevics das no1s1 Lab gegründet.