Ein neues Solidaritätssystem für das 21. Jahrhundert

Digitalisierung und die daraus folgende Automatisierung führen zu grossen Umwälzungen in unserer Arbeitswelt. Ting begegnet diesem Wandel mit einer Gemeinschaft, die ihren Mitgliedern Zeit für Weiterentwicklungen ermöglicht. Durch ein Gemeinschaftskonto teilen Mitglieder jedes Jahr mehr als eine Viertelmillion Schweizerfranken, um sich während der Weiterentwicklung finanziell abzusichern.

Der Strukturwandel fordert neue Lösungen

Die digitale Transformation verändert unsere Arbeitswelt rapide: Berufe, aber auch die Art und Weise, wie wir arbeiten, ändern sich fundamental: Digitale Technologien können immer mehr Jobs automatisieren, das heisst beispielsweise, dass ein Self-Checkout anstatt ein Kassierer, oder ein Chatbot anstatt eine Anwältin für uns arbeitet. Die OECD geht davon aus, dass bereits heute mehr als jeder zehnte Job Gefahr läuft, automatisiert zu werden. Die Frage ist nun, wie wir als Gesellschaft damit umgehen. Was passiert mit den Menschen, die bisher diese Berufe ausgeübt haben?

Doch nicht nur die Automatisierung stellt eine Herausforderung dar. Die digitale Transformation verändert auch fortbestehende Berufe. Das Jobprofil einer Marketingspezialistin sieht heute ganz anders aus als noch vor fünf Jahren. Es werden beispielsweise Social Media Kompetenzen vorausgesetzt, für die es vorher noch keine Notwendigkeit gab. Wie können Menschen mit diesem schnellen Wandel Schritt halten?

Dazu kommt die «grosse Resignation». Dabei handelt es sich um das Phänomen, dass immer mehr Menschen ihre Arbeit kündigen, weil sie damit unzufrieden sind und sich bessere Arbeitsbedingungen wünschen. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von Erschöpfung über zu tiefem Lohn bis hin zur fehlenden Sinnhaftigkeit im Beruf. Wie gehen wir als Gesellschaft damit um?

Dieser strukturelle Wandel in der Arbeitswelt verlangt von vielen Menschen persönliche und berufliche Weiterentwicklung. Das kann ein Berufswechsel, eine Neuorientierung, eine Auszeit oder eine Ausbildung sein. All das setzt genügend Zeit und Geld voraus. Doch beides ist nicht bei allen vorhanden. Es ist eine Herausforderung, mit diesem Wandel umzugehen. Da diese Veränderung aber struktureller Natur ist, müssen auch Sozialsysteme überdacht werden.

Ein neues Solidaritätssystem als Lösungsansatz

Dieser Herausforderung entgegnen wir mit dem komplett neuartigen und radikalen Zukunftsexperiment: Ting. Bei Ting teilen über 350 Mitglieder jeden Monat mehr als 25’000 CHF (Stand Nov. 2022) um sich gegenseitig eine Weiterentwicklung mit einer finanziellen Grundsicherung zu ermöglichen. Jedes Mitglied hat die Möglichkeit, ein Vorhaben einzureichen (Z.B. den Beruf zu wechseln, eine Selbstständigkeit zu starten oder ein Start-up zu gründen) und dafür ein Community-Grundeinkommen von bis zu sechs Monaten in der Höhe bis zu max. 2’500 CHF pro Monat zu erhalten.

Bei Ting sichern sich Menschen also gegenseitig ab, um bei Bedarf eine Weiterentwicklung starten zu können. Damit können Mitglieder ohne finanziellen Druck dem nachgehen können, was Begeisterung in ihnen weckt und sie nachhaltig glücklich macht. So wird der strukturelle Wandel von einer Belastung zu einer Chance für positive Veränderung. Ting fördert damit nicht nur intrinsisch motivierte Vorhaben, sondern auch die Möglichkeit zur Gestaltung unserer Zukunft. Denn die Mitglieder verwenden das Geld nicht für egoistisch getriebene Selbstverwirklichung, sondern für Projekte, die uns als Gesellschaft weiterbringen. Ramona Schwarz hat beispielsweise den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und nachhaltige Periodenslips entwickelt. Andere Mitglieder haben Foodcops oder Permakultur-Plattformen gegründet und setzen sich für den Erhalt der Biodiversität ein.

Ting Mitgliederevent 2022

Mit dem Zukunftsexperiment neue Erkenntnisse gewinnen

Ting ist ein Zukunftsexperiment. Es prüft einen Ansatz, wie wir mit dem herausfordernden, strukturellen Wandel unserer Arbeitswelt umgehen könnten. Es erprobt eine Zukunft mit einem neuartigen Solidaritätssystem, das nicht nur reaktives (z.B. Arbeitslosenversicherung) sondern proaktives Handeln ermöglicht. Ting macht eine mögliche Zukunft heute erlebbar und erforscht in Zusammenarbeit mit Hochschulen, was dieses Experiment mit den Menschen und unserer Gesellschaft macht. Daraus sammeln wir neue Erkenntnisse und stellen sie der Öffentlichkeit zur Verfügung. Das Experiment möchte damit zeigen, dass es nicht nur möglich, sondern wünschenswert ist, anders über Gemeinschaft und unser Verhältnis zur Arbeit nachzudenken. Ting ist also nicht die Lösung auf das Problem, sondern soll zeigen, dass es höchste Zeit ist, anders über Sozialversicherungen nachzudenken.

Zukunftsexperimente

Während klassische Experimente nach einer gesellschaftlichen Wirklichkeit fragen, fragen wir mit unseren Zukunftsexperimenten nach gesellschaftlichen Möglichkeiten. Zukunfstsexperimente sollen aber nicht nur Zukunft denken, sondern sie auch real machen.

Auch das Wochenende und die AHV waren einmal Utopien. Ich will dabei sein, wenn wir gemeinsam die nächste Utopie Realität werden lassen.

Flurin Hess

Dezentrum

Ting ist ein «life changer»

Ting konnte bereits mehr als 160 Monate (Stand Nov. 2023) Community-Grundeinkommen auszahlen. Die Empfänger*innen beschreiben die Unterstützung durch Ting als «life changer» (Peter H.). Ting hat bereits zahlreiche Weiterentwicklungen ermöglicht, die sonst womöglich nie zustande gekommen wären. Doch nicht nur Beziehende von Community-Grundeinkommen profitieren von Ting. Auch Mitglieder, die nie eine Weiterentwicklung mit Ting finanzieren, fühlen sich mutiger, sicherer und glücklicher, weil sie abgesichert sind.

Vor allem hat mir Ting aber den psychischen Stress genommen, wie ich die Anfangszeit finanziere.

Ramona Schwarz

Ting Mitglied und Gründerin der Periodenslips RAYNE

Dezentrum als Mitgründerin

Der Verein Grundeinkommen und das Dezentrum haben Ting gemeinsam konzeptionell entwickelt und die Finanzierung gesichert. Nach der Gründung im Jahr 2020 haben wir Ting mit einem vierköpfigen Team aufgebaut und anschliessend in ein eigenes Team überführt.

Gründung von Ting 2020

Was Ting mit dem Grundeinkommen zu tun hat

Wir erachten ein bedingungsloses Grundeinkommen als einen prüfenswerten Lösungsansatz für den Strukturwandel in der Arbeitswelt. Politisch ist das Thema seit der Ablehnung an der Urne im Jahr 2014 festgefahren. Es finden kaum fundierte Debatten zu der Thematik statt und Befürworter*innen als auch Kritiker*innen spekulieren lediglich über die Auswirkungen eines BGEs. Ting möchte neue Fakten schaffen, die das Thema weiterbringen oder zu neuen Lösungsansätzen führen. Bei Ting handelt es sich nicht direkt um ein bedingungsloses Grundeinkommen. Doch es testet einen wichtigen Teilaspekt davon: Was macht es mit Menschen, wenn sie eine finanzielle Grundsicherung haben?

Ting wurde durch die Unterstützung von Migros-Pionierfonds ermöglicht.

Ausgewählte Medienartikel

Eine anonyme Gemeinschaft wagt den Versuch

Tages Anzeiger - Wirtschaft 14.05.2022

Warum wir wieder über das Grundeinkommen diskutieren

Blick - Wissenspodcast «Durchblick» 21.04.2022

Dank Ting: Ramona bekommt ihr Geld geschenkt

Migros-Magazin 07.01.2022

Geteiltes Geld bringt Ideen zum Fliegen

ElleXX - Gesellschaftstei 13.09.2022

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